Eine Reise nach Peru

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Elindra’s Drachenwelten

Inge Schmitzberger

Eine Reise nach Peru

 

Mittlerweile war mein abendlicher Besuch bei Kirwana schon zur Gewohnheit geworden.

Beschwingt legte ich mich zu ihr ins Nest. Sogleich hüllte sie mich mit Frieden ein und ihre Liebe füllte mich aus.

So erfüllt von ihrer Liebe, wollte ich ihr gegenüber auch meine Liebe für sie zum Ausdruck bringen und so sprach ich zu ihr den Satz, der mir als erstes in den Sinn kam. Ein Satz, bei dem ich mir nichts weiter dachte und den Menschen oft gerne leichtfertig auszusprechen pflegen. Der Mensch neigt dazu gedankenlos zu sprechen und ich wollte ihr einfach nur deutlich machen, dass ich sie liebte. So sprach ich zu ihr: „Ich schenke dir mein Herz.“

Daraufhin sah mich Kirwana eindringlich an und im Klang ihrer Stimme erkannte ich, dass es ihr sehr ernst war, als sie sprach: „Verschenke niemals dein Herz. Dein Herz ist und muss groß sein, denn es müssen und dürfen darin viele Platz haben. Also verschenke dein Herz nicht an eine einzige Wesenheit, die es dann womöglich besitzen will und es eifersüchtig bewacht. Verschenke deine Liebe, aber nie dein Herz!“

Diese Worte sollten mir ewig im Gedächtnis bleiben.

Später als ich immer noch in den Armen von Kirwana lag, sprach sie erneut zu mir: „Schicke die jungen Drachen ‘gen Süden.“

Verdutzt sah ich sie an und fragte: „Wieso? Wohin genau?“

Verwandtschaft!“ Dies war die einzige Erklärung, die ich von ihr erhielt.

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Also machte ich mich kurzerhand auf zu meiner Herzenswiese, um die jungen Drachen zu rufen. Oh, was war mein Staunen groß. Es kamen nicht nur 12 junge Drachen. Nein – es kamen vierundzwanzig wunderschöne kleine Drachen und alle landeten sie direkt vor mir.

Liebevoll umarmte ich sie zur Begrüßung. Kirwana sagte, ihr sollt ‘gen Süden fliegen.“, verkündete ich ihnen.

Schicke uns nicht in Kirwanas Namen nach Süden.“, entgegneten die jungen Drachen vereint mit einer Stimme, „Du sollst uns schicken!“

Etwas verwirrt über diesen Einwand und der für mich nicht erkennbaren Logik dahinter, gab ich schließlich einfach nach und sprach: „Also gut. Ich schicke euch nach Süden.“

Kirwana gab in meinen Augen dennoch das Startkommando für diese Reise. Da konnte der Unterschied, ob ihr Name oder der meine davor stand doch kein großer Unterschied sein und so dachte ich mir nichts Übles dabei.

Schlagartig erhoben sich alle jungen Drachen in die Lüfte und schwuppdiwupp waren sie fort – auf den Weg ‘gen Süden.

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Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg zu einem Treffen der Weißen Schwestern- und Bruderschaft. Doch kaum hatte ich den großen Saal betreten, da sprach auch schon Kwan Yin zu mir: „Verschicke deine Liebe nicht an alle anderen. Schicke sie dir selbst! Fülle dich an mit deiner Liebe und liebe dich selbst. Denn wenn du dich selber liebst, so gibst du die Liebe automatisch an alle weiter! Komme mindestens alle zwei Tage zu mir und berichte mir, wie es dir ergeht und nun gehe zu den Drachen!“

Ottawa, der vor dem Haus schon auf mich wartete, begrüßte mich mit den Worten: „Kirwana möchte dich sehen!“

SCHLUCK… WÜRG… Ein dicker Knödel formte sich in meinem Hals… Übelkeit stieg schlagartig hoch… Panikartig erfaste mich und Alarmglocken läuteten in meinem Kopf sturm. Schlagartig kamen mir die jungen Drachen in den Sinn Urplötzlich tobten heftige Schuldgefühle in mir und ein Mega schlechtes Gewissen erdrückte mich schier.

Ich wusste gar nicht, wie mir geschah und ebenso wenig konnte ich sagen: WARUM dem überhaupt so war??? Meine Gedanken drehten sich fortwährend im Kreis. Warum nur hatte ich jetzt plötzlich so heftige Schuldgefühle? Was hatte ich denn Schlimmes getan? Kirwana sagte doch, ich sollte die jungen Drachen ‘gen Süden schicken! War das denn nicht richtig? Ich hatte doch nur getan, was sie wollte!

Aber dennoch, ich hatte etwas verbockt! So sagte mir mein Gewissen jedenfalls und dieses ließ es mich auch massiv und überdeutlich körperlich spüren. Aber WAS nur? Was hatte ich so schlimmes verbrochen? Mein Verstand konnte es sich nicht erklären.

 

Kaum bei Kirwana angekommen brachte ich meine Gefühle auch gleich zur Sprache: „Kirwana, ich habe so ein schlechtes Gewissen. Es erdrückt mich fast, aber ich kann nicht mal sagen: Warum oder weshalb?“ Hilfesuchend blickte ich sie dabei an.

Auf ihre liebevolle Art und Weise sah mich Kirwana eindringlich an und fragte freundlich, aber dennoch mit Nachdruck: „Wieso hast du die jungen Drachen alleine in den Süden geschickt? Du kannst doch nicht die jungen Drachen ganz alleine in den Süden schicken?“

SCHLUCK… „Was hätte ich denn sonst tun sollen?“, stammelte ich verzweifelt. WÜRG… SCHLUCK… Der Knödel in meinem Hals war mittlerweile faustgroß.

Wieso bist du nicht mit geflogen?“, fragte Kirwana mit sanfter Stimme.

Oh, Schotter!!! Ein Boxhieb in meine Magengrube konnte nicht schlimmer sein, so sehr traf mich dieser einfache und in sanfter Stimme gesprochene Satz. Die Schuldgefühle gewannen noch mehr an Kraft und mir wurde nun gar speiübel. Was hatte ich da nur getan!!! Mir war zum Heulen. Es waren doch lauter kleine, junge und unerfahrene Drachen und sie waren nun ganz alleine unterwegs! Irgendwo in der Ferne und ganz allein! Was nun, wenn ihnen etwas passierte? Wie konnte ich nur so unüberlegt handeln? Da half nicht mal mehr Kirwanas liebevolle Stimme etwas. Aufgelöst und mit Tränen in den Augen fragte ich verzweifelt: „Wie hätte ich das mit dem Mitfliegen denn machen sollen? Menschen können doch nicht fliegen!“

Ottawa!“, gab sie mir schlicht und einfach zu verstehen.

Ottawa??? Ach ja, Ottawa!!! Wie Schuppen fiel es mir nun von den Augen. Der war ja auch noch da! Natürlich mit ihm flog ich ja ständig. An ihn hatte ich überhaupt nicht gedacht.

Doch kaum hatte ich hier den Weg der Erleuchtung erkannt, tat sich auch schon das nächste Dilemma auf. Die jungen Drachen! Sie waren nun schon alle fort und zwar ganz alleine. Wenn ihnen nun etwas geschah! Wie sollte ich damit leben?

Meine neuerlichen Bedenken teilte ich geknickt Kirwana mit, aber sie beruhigte mich sogleich: „Nein, sie sind alle da! Wir haben sie alle abgefangen und zurück gebracht. Sie sind sicher. Und nun flieg mit ihnen!“

Und wohin soll ich mit ihnen fliegen?“

Ein schlichtes: „Peru“, bekam ich zur Antwort.

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Tja, nach Peru sollte ich nun mit den jungen Drachen fliegen. Nach dieser ersten Panne wollte ich nun vorsichtiger sein, denn auf eine neuerliche Wiederholung einer solchen Misere hatte ich keinerlei Bock. So etwas durfte mir nicht noch einmal passieren. Deshalb hielt ich es für weise unsere Reisestrecke bereits im Vorfeld genauestens zu planen, um so mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen und wenn möglich zu umgehen.

Wie weit konnten junge Drachen überhaupt fliegen? Ich hatte keinerlei Vorstellung was das betraf. Der direkte Weg nach Peru führte über den Atlantik! Gedanklich studierte ich eine große Landkarte.

Der Atlantik ist groß… sehr, sehr groß. Das ist weit, sehr weit für kleine Drachenflügel! Unmengen von Wasser weit und breit… und keinerlei Landemöglichkeit. Schotter. Was ist, wenn ein junger Drache schlapp macht und er nicht mehr fliegen kann und landen muss? Landen im Wasser!!! Und dabei womöglich untergeht!!!

Oje, ojemine! Können junge Drachen schwimmen? Und wenn ja, wie weit und wie lange? Allein die Vorstellung von alledem reichte aus, um meinen Herzschlag zu beschleunigen. Auch wenn es eine liebevolle Belehrung von Kirwana war, nach einer zweiten sehnte es mich nicht. Dieses Risiko war mir eindeutig zu groß. Was wusste ich denn schon von Drachen? Nichts! Von Erwachsenen nichts, geschweige denn von jungen Drachen! Diese Strecke war mir eindeutig zu gefährlich. Also musste ein anderer Weg nach Peru ausfindig gemacht werden. Ein Weg mit weit weniger Wasser.

Nordamerika und Asien, studierte ich weiter, berührten die sich nicht fast? Irgendwo da ganz oben im eisigen Norden? Da war doch was? Nein, ich wollte keinen Drachenanpfiff mehr – also musste ein richtiger Atlas her.

Nach genauer Karteneinsicht versammelte ich die jungen Drachen um mich. Alle waren sie gekommen. Quietschfidel saßen sie vor mir und warteten aufgeregt auf mein Startkommando. Auch Ottawa war bereit zum Abflug und auf seinem Rücken sitzend gab ich das Zeichen des Startes.

Unser erster Weg führte nach Asien und schnell darauf erreichten wir auch schon Sibirien. Hoch im Norden überquerten wir sicher die Beringstraße. Hier mussten wir nur sehr wenig Wasser überquert werden, was nach meinem Geschmack war. Weiter ging es, ohne irgendeinen Zwischenfall, nach Kanada. Ungebremst düsten wir emsig die Ostküste Amerikas runter und schließlich erreichten wir sicher unser Ziel: Peru!

Tja, dieser Weg war sicherlich weiter. Sogar erheblich weiter, als schnurstracks über den Atlantik, aber dieser Weg führte bis auf ein kleines Stückchen nur über Land. Sicher war eben sicher. Alle Drachen waren wohlauf. Keinen hatte ich verloren. Keiner hatte Schlapp gemacht. Keinem schien die Wegstrecke zu weit. Alle meine Befürchtungen waren unnötig gewesen, aber es hätte auch anders sein können. Das Wohlergehen meiner Schützlinge war mir diesen Aufwand gerne wert.

Glücklich landeten wir auf der Spitze einer Maya-Pyramide. Hoch über den Wipfeln der Bäume lag unser mondäner Landeplatz. Weit konnte man von hier aus über das Land blicken. Ein Meer von Bäumen breitete sich zu unseren Füßen aus. Dschungel, soweit das Auge reichte.

Peru hatten wir nun erreicht, aber… wie sollte es nun weitergehen? Kirwana sagte mir nichts hierzu. Wo oder was war hier unser Ziel? Ich hatte keine Ahnung. Suchend blickte ich mich um. Spontan entschloss ich mich zusammen mit den jungen Drachen einfach mal eine Runde über den Dschungel zu drehen. Vielleicht kam mir ja dabei die Erleuchtung?

Die Runde war noch nicht vollendet, da erspähte ich in weiter Ferne zwischen den dichten Bäumen eine größere freie Fläche. Diese Fläche zog mich magisch an und so flogen wir auf sie zu.

Kaum, dass wir wieder festen Boden unter unseren Füßen spürten, fiel mein Blick auch schon auf einen großen, dunklen Fleck zwischen massiven Felsgestein. Dieser Anblick erweckte sofort meine Aufmerksamkeit. Denn dieses Loch im Gestein erinnerte mich stark an einen Höhleneingang und wo eine Höhle war, war sicherlich auch ein Drache nicht weit. Erzählte Kirwana nicht etwas von Verwandtschaft?

Schon meldete sich lautstark mein Beschützerinstinkt und donnerte mit eindringlicher Stimme auf mich ein: „Und was ist, wenn dieser Drache uns nicht freundlich gesinnt ist oder wenn gar ein anderes Wesen darin haust? Was dann? Womöglich tut er den jungen Drachen etwas an! Und du bist schuld! Denke an Kirwana!!! Man kann nie wissen und nie vorsichtig genug sein.“

Schluck… Oh ja, mein Beschützerinstinkt in mir hatte natürlich recht, die Sicherheit der jungen Drachen wog mehr als alles andere. Vorsorglich bat ich deshalb Ottawa mit den jungen Drachen vor der Höhle auf mich zu warten, denn es erschien mir sicherer, zuerst alleine diese dunkle Ungewissheit zu erforschen.

Kaum war ich in die Dunkelheit des Einganges eingetaucht, eröffnete sich mir ein gigantisches Höhlensystem. Ein riesig großer Raum tat sich vor mir auf, in dessen Mitte, wie sollte es auch anders sein, ein großer und sehr alter Drachen saß.

Für mich war nicht zu erkennen, was dieser Drache dachte oder plante, nur, dass er in meine Richtung sah und so neigte ich vorsorglich meinen Kopf und sandte ihm meinen Gruß entgegen. Auch er begrüßte mich auf die gleiche Art und Weise.

Wer bist du?“, fragte ich ihn nach seinem Namen.

Zebraska“, antwortete er mit tiefer Stimme und lud mich und die jungen Drachen sogleich ein, zu ihm in seine Höhle zu kommen.

Irgendwie schien es mir, als hätte er auf mich gewartet? Über diesen Umstand grübelte ich nach, während ich hinaus zu den jungen Drachen schritt, um sie in die Höhle zu bitten.

Zebraska begrüßte sie ebenso freundlich und lud uns sogleich alle ein, ihm in die Tiefe seiner Höhle zu folgen. Die jungen Drachen schienen sich sichtlich darüber zu freuen und auch für mich war es stimmig.

Schnell schritt der Drache voraus und führte uns durch lange, dunkle Höhlengänge immer weiter in die Tiefe und in den Berg hinein. Bis wir schließlich eine andere noch größere Halle erreichten, in deren Mitte ein phänomenaler Springbrunnen sich uns präsentierte. Eingetaucht im zarten Licht einer unbekannten Quelle und geschmückt durch aufwendige Ornamente von fremden Kulturen erschien er mir, wie aus einer anderen Welt zu sein.

In einer Fontäne schoss das Wasser aus seiner Mitte empor, um sich dann wieder in einem Becken zu vereinen. Von Becken zu Becken strömte es sodann langsam abwärts in die Tiefe. Bis es sich schließlich in einem großen Bassin sammelte. Das Wasser schimmerte dabei in seinem eigenen, besonderen Glanz und es besaß eine magische Anziehungskraft, die ihresgleichen suchte.

Unser aller Augen blickten gebannt auf dieses Wasser. Still beobachteten wir sein Spiel. Alles hatte etwas märchenhaftes und verspieltes an sich. Und wahrscheinlich würden wir noch heute davor stehen, hätte Zebraska nicht zu reden begonnen: „Dies ist das Wasser des Lebens und ich bitte euch alle daraus zu trinken!“

Die jungen Drachen ließen sich das nicht zweimal sagen und auch ich tat es ihnen gleich. Alle stillten wir nun gierig unseren plötzlich aufkommenden Durst mit dem Wasser des Lebens.

Unsere Reise dauerte nun schon sehr lange, auch wurde ich irgendwie unruhig und so entschloss ich mich kurzerhand, dass es nun an der Zeit war wieder heim zu kehren. Meinen Entschluss teilte ich allen mit und so machten wir uns eiligst auf den Heimweg. Aber dieses Mal wählte ich die kurze Strecke, quer über den Atlantik! Denn wer die soviel weitere Stecke über Asien und Kanada non-stop nach Peru fliegen kann, so war ich der Meinung, der konnte auch problemlos den Ozean überqueren. Dies bestätigten mir die jungen Drachen prompt ganz lässig.

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Schon bald darauf führte mich mein Weg erneut zu Kirwana und mein Gefühl flüsterte mir, dass noch mehr dieser Reisen kommen würden.

Kirwana“, so fragte ich sie gut gelaunt, kaum, dass ich richtig bei ihr angekommen war, „war die Reise so in Ordnung? Und wohin soll es denn das nächste Mal gehen?“

Kirwana meinte nur kurz und bündig: „Peru!“

Oh, dachte ich mir. Da hatte ich also meine Reise noch nicht zu ihrer Zufriedenheit beendet.Liebevoll streichelte ich über ihren Hals, während ich mit meinen Gedanken schon bei der bevorstehenden Reise war. Kirwana genoss meine Zärtlichkeit und wartete mit aller Ruhe und Gelassenheit auf meine Entscheidung, nun endlich mein Werk zu vollenden.

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Erneut versammelte ich alle jungen Drachen um mich und erklärte ihnen kurz, dass wir nochmals zu Zebraska fliegen sollten. Sodann nahm ich auf Ottawas Rücken Platz und los ging es in Richtung Peru. Doch dieses Mal kannte ich mein Ziel und so führte uns unser Weg direkt zur Drachenhöhle.

Wie vor kurzem bat uns Zebraska auch jetzt, ihn in die Tiefe seiner Höhle zu folgen. Erneut schritten wir durch viele verwirrende, unterirdische Gänge. Mal waren sie eng und dunkel, mal breit und hoch. Stets verlief unser Weg in die Tiefe. Immer weiter in unsere Mutter Erde hinein.

Plötzlich erstrahlte vor uns der Brunnen mit dem Wasser des Lebens. Doch nun stoppte Zebraska seine Schritte nicht. Zügig schlängelten wir uns am Brunnen vorbei. Tiefer und tiefer folgten wir ihm durch das gewaltige Höhlensystem. Zielstrebig marschierte Zebraska voraus. Mal bog er rechts ab – mal links. Die Orientierung hatte ich schon lange verloren. Doch nach einem flotten und langen Marsch erreichten wir endlich des Drachens Ziel.

Breit und gemächlich dahinfließend bahnte sich vor uns ein mächtiger Lavastrom seinen Weg. Fasziniert stand ich vor dieser glühenden Masse. Fühlte die kraftvolle Energie und das unbändige Leben in ihm. Schließlich kam Zebraska auf uns zu und klärte uns auf: „Dies ist der Feuersee der Erde und der Drachen. Bitte badet darin.“

Auch hier ließen sich die jungen Drachen nicht zweimal bitten. Augenblicklich sprangen sie kopfüber in diese glühende, zähe Lavamasse. Freudig tobten sie darin herum als wären sie im feuchten, kühlen Nass. Schmunzelnd beobachtete ich vom Ufer aus ihr Treiben und erfreute mich mit ihnen.

Was ist mit dir? Wieso badest du nicht?“,  fragend sah mir Zebraska dabei in die Augen.

Oh, ich bin ein Mensch und das ist glühende Lava. Menschen verglühen darin!“, belehrte ich ihn äußerst zweimalklug.

Steig rein.“, sanft sprach er diese Bitte aus und seine großen, freundlichen Augen blickten mir dabei offen entgegen. „Bade darin!“

Ja, ich vertraute ihm und so stieg ich ganz vorsichtig in diesen glühenden Lavastrom. Erstaunt stellte ich fest, dass er nicht heiß, sondern angenehm warm war. Sogleich begann ich mutiger zu werden und schritt tapfer voran. Schnell stieg die Lava um mich und alsbald konnte ich darin schwimmen. Es war so angenehm, als würde ich in einem See baden. Keinerlei Hitze war zu spüren und auch die Strömung zog mich nicht fort.

Kaum war ich ganz in der Lava eingetaucht, schon forderten mich die jungen Drachen auf, es ihnen gleich zu tun. Wild tobten wir umher und bespritzten uns gegenseitig mit der Lava. Gemeinsam tauchte wir in die Tiefe hinab, um kurz darauf wieder übermütig empor zu schießen. Kreuz und quer jagten wir uns gegenseitig durch diesen Strom und erforschten die glühende Masse. Ausgelassen lachten wir gemeinsam in unserem Spiel, wie kleine Kinder.

Doch nach einer Weile hatte ich das Gefühl, dass es nun an der Zeit war diesen Strom wieder zu verlassen. Langsam schritt ich ans Ufer und die jungen Drachen folgten mir. Erstaunt blickte ich auf meinen Körper nieder. Dieser hatte sich grundlegend verändert. Seine Form war zwar immer noch die gleiche, doch bestand er nun aus glühender Lava. Ein ständiges Fließen und Strömen durchzog mein ganzes Sein. Von meinen Füßen aus bahnte sich der Strom meinem Körper empor und bis in meine Hände hinein. Unbeirrt suchte und fand er seinen Weg. Ein zäh fliesender Lavastrom zog nun seine Bahnen in der Form meines Körpers auf und ab. Alles glühte und strömte in mir ebenso, wie der gewaltige Lavastrom in dem ich gerade gebadet hatte. Mein Körper, mein ganzes Sein bestand nun aus Lava und doch war ich ‘ich’.

Eine Weile beobachtete ich fasziniert dieses träge, aber dennoch unaufhaltsame Strömen in mir. Betrachtete meine Hände von allen Seiten und überlegte, welche Bedeutung das nun für mich haben würde.

Immer noch tief in meine Gedanken versunken, stellte ich dennoch fest, dass sich die Anzahl der erwachsenen Drachen um mich vermehrt hatte. Neben Zebraska nahmen nun, wie aus dem Nichts kommend, Kirwana, Numerian und Ra Neomi raum. Sie waren einfach plötzlich anwesend.

Dies ist der Feuersee der Drachen und alle Drachen müssen darin baden, um in ihre Kraft zu gelangen. Auch du warst und bist ein Drache und deshalb ist es für dich wichtig darin zu baden, um in deine Kraft zu gelangen.“, sprach nun Zebraska und sah mir dabei eindringlich in die Augen. Weiter erklärte er: „Jahrhunderte lang habe ich geschlafen und das Wasser des Lebens und den Feuersee bewacht.“

Wenn du so lange geschlafen hast. Wie hast du dann gewusst, dass wir kommen?“, nachdenklich stellte ich ihm diese Frage.

Ich bin erwacht durch den Ruf der jungen Drachen an dich: Wir sind da!“

Erstaunt nahm ich seine Erklärung entgegen und sprach zu ihm: „Zebraska, ich danke dir für alles.“

Ich habe Jahrhunderte lang geschlafen und ich würde mich freuen, wenn du mich öfters mal besuchen kommen würdest und mir Geschichten von dir erzählst.“

Gerne.“, dankbar lächelte ich ihm entgegen. Wir haben uns nun verbunden mit den Elementen Wasser und Erde. Was ist mit den Elementen Feuer und Wind?“, kam es mir plötzlich in den Sinn und gleichzeitig sprach ich dieses Überlegung auch laut aus.

Doch kaum hatte ich es getan, formte sich ein weicher Nebel um die jungen Drachen und auch um mich. Die Welt um uns verschwand im dichten Nebel. Urplötzlich wurden wir müde und schlagartig schliefen wir ein. Ich nahm nicht mehr wahr, was um uns geschah.

 

* Geschlafen hatte ich in Wirklichkeit nicht, aber dennoch habe ich es so wahrgenommen, als ob. Auf der mentalen Ebene auf der ich mich mit den jungen Drachen befand, schlief ich tief und fest, aber dennoch war ich als Mensch gleichzeitig hellwach. Meine Wahrnehmung wurde dadurch stark eingeschränkt, so dass ich nicht mehr erkennen konnte, was um mich herum oder mit mir geschah.

 

Als wir ein paar Sekunden später aus unserem ungewöhnlichen Schlaf wieder erwachten, verwandelte sich dieser weiche Nebel… in weichen Sand.

Feiner Wüstensand umgab uns, war unter uns und um uns. Wüstensand, soweit das Auge reichte und die Hitze der Wüste, der Sahara, umgab die jungen Drachen und auch mich. Kein erwachsener Drache war mehr bei uns. Allein mit den jungen Drachen saß ich in Mitten dieser weiten Wüste. Die Sonne stand hoch am Himmel und schüttete ihre volle Glut und ihre enorme Hitze auf uns nieder. Aber dennoch fühlte ich mich wohl und ich spürte, dass es auch den jungen Drachen bestens ging. Wie ein Schwamm saugten wir die Strahlen, die Glut und das Feuer der Sonne in uns auf.

Wir saßen einfach nur da… ließen alles geschehen… keiner bewegte sich… keiner sprach.

Lange kauerten wir so in dieser glühenden Hitze und luden ins auf, saugten uns gierig voll mit dem goldenen Licht und dem Feuer unserer Sonne.

Es waren Stunden, die wir dort ausharrten, die aber in meiner Zeitrechnung doch nur Minuten andauerten. Wir wurden immer glänzender, immer heller und immer lichter. Schließlich glühten und strahlten wir ebenso, wie der Feuerball über uns selbst.

Zaghaft, ja fast zärtlich berührte eine leichte Brise meine Haut, die aber der Hitze in mir nichts anhaben konnte. Sanft streichelte und liebkoste mich der Wind und ich genoss seine Berührung sehr. So viel Liebe lag darin.

Doch urplötzlich erfasste uns alle eine Windböe. Sanft, aber trotzdem sehr kraftvoll hob sie uns empor… und trug uns höher und höher… hoch bis weit über die Wolken hinaus.

Und genauso überraschend, wie uns diese Windböe mit sich fort trug, zersprang nun jeder von uns in abertausend, winzig kleiner Lichtfunken. Diese Lichtfunken, die wir nun waren, nahm der Wind mit sich und trug uns höher und höher. Schnell verteilte uns der Wind über die ganze Erdkugel…

Plötzlich sah ich aus der Ebene der Sterne auf unsere Erde nieder und diese war umgeben von einem leuchteten, goldenen Kranz. Dieser bestand aus Milliarden kleiner Lichtfunken, die wir waren.

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Reise zur Sonne

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© Inge Schmitzberger, Feburar 2008. Es ist erlaubt diesen Text zu verbreiten, solange er vollständig und unverändert unter dem Namen des Autors, sein Copyright, seine Website: www.elindra.de und der Hinweis mit aufgeführt wird.

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